Edie Campbell und Sunspel

In den 1990er Jahren trugen die Supermodels nur einen Namen: Kate, Naomi, Christy, Claudia. Diese Frauen, Ikonen der Modewelt, brauchten keine Vorstellung.

Es ist unmöglich, die Atmosphäre und Mystik dieser Blütezeit der Supermodels einzufangen, aber wenn heute jemand diese Rolle in einer übersättigten Branche übernimmt, dann ist es Edie Campbell. Genau wie ihre Namensvetterin und Warhols Muse Edie Sedgwick, verkörpert Campbell eine gewisse Respektlosigkeit der 60er Jahre, gepaart mit der Ästhetik der 90er Jahre und der Schönheit der English Rose – und all das gleichzeitig. Kurzum: „Edie“ ist ein Inbegriff für Coolness.

Campbell wurde zum ersten Mal als Teenager in der britischen Vogue abgebildet, als Teil eines Profils über die „jungen Londoner“. Später wurde sie berühmt, als sie an der Seite von Kate Moss in einer Burberry Kampagne zu sehen war. Campbells Ästhetik ist hübsch und doch androgyn, mit jungenhaft geschnittenem Haar und hohen Wangenknochen repräsentiert sie einen Look, von dem Designer nicht genug bekommen können. Sie fühlt sich auf dem Cover der L’Uomo Vogue ebenso wohl wie in einem künstlerischen Editorial des Modemagazins Love oder auf dem Laufsteg einer Chanel Modenschau in Perlen und Haute Couture.

Zweireihiger Blazer

Polohemd aus Seide mit offener Webstruktur

Campbell hat auch etwas Geheimnisvolles an sich, ähnlich wie ihre Vorgängerinnen aus den 90er Jahren, die Interviews und Werbung vermieden haben. Mode ist ihr Beruf, aber ihre Karriere und ihre Entscheidungen – wie der Umzug aufs Land und ihre Leidenschaft für das Reiten – scheinen ihren eigenen Regeln zu folgen.

Im Jahr 2015 gründete Campbell zusammen mit ihrer Künstlerfreundin Christabel MacGreevy das Unternehmen Itchy Scratchy Patchy, das bestickte Aufnäher herstellt. Durch dieses Unternehmen lernte Campbell Nick Brooke, den CEO von Sunspel, kennen, als sie an einem kleinen Projekt teilnahm und Sunspel Styles mit Ihren Aufnähern schmückte. Es bestand also bereits eine Verbindung und gegenseitiger Respekt, als Sunspel sich später an Campbell wandte, um ihre Expertise bei der Erweiterung ihrer Damenmode einzuholen. „Ich war begeistert, als ich die E-Mail erhielt, in der ich gefragt wurde, ob ich etwas mit Sunspel machen wolle“, sagt sie in ihrem durchdachten und eloquenten Ton. „Ich kann mir Nichts vorstellen, was ich lieber täte.“

Zweireihiger Blazer Pullover mit Zopfmuster

GB: Worum geht es bei Ihrer neuen Kollektion mit Sunspel?

EC: Ich habe Sunspel schon immer geliebt, es ist eine ikonische Traditionsmarke mit einer gewissen Tiefe. Deshalb war ich wirklich gespannt darauf, was wir zusammen machen können. Ich habe viel über Uniformen und Dresscodes nachgedacht. Ich fand schon immer, dass die traditionelle Herrengarderobe so zuverlässig stilvoll ist und darauf war ich etwas neidisch. Ich wollte also etwas entwerfen, das fast nach dem Baukastenprinzip funktioniert. Man kann sich darauf verlassen und ein Teil anziehen und denkt: „Ich sehe gut aus, ich fühle mich gut und ich musste nicht zu lange darüber nachdenken.“ Und dann wollte ich auch Kleidungsstücke in der Kollektion haben, die man eher am Abend tragen kann.

Sie haben einige sehr interessante Stilinspirationen angeführt...

Die Anzüge orientieren sich an großartigen Männern, die großartige Anzüge trugen, von Jarvis Cocker über Harry Wormwood [Danny DeVitos Figur in Matilda] bis hin zu Edward VIII – die ganze Bandbreite stilvoller Männer im Laufe der Jahre. Harry Wormwood bekommt zu wenig Anerkennung, dabei ist er eine Ikone. Natürlich ist er eine Karikatur, ganz so wild konnten wir es also nicht machen, aber ich wollte ein wenig von seiner Energie einfließen lassen.

Glauben Sie, dass der Damenmode etwas fehlt, das in der traditionellen Herrenmode gefunden werden kann?

Ich denke, Damenmode wird viel stärker von Trends bestimmt. Es gibt eine Art verlässliches Fundament in der traditionellen Herrenmode, das die Damenmode manchmal nicht hat. Bei der Marke Sunspel und ihrer Geschichte geht es vor allem darum, wirklich gut und zuverlässig zu sein. Ich weiß, das Adjektiv „zuverlässig“ ist unsexy, aber Sunspel macht großartige Basics und genau das wollte ich in ein etwas breiteres Angebot einbringen.

Open Knit Silk Polo Pullover mit Zopfmuster

Was sind Ihre persönlichen Highlights aus der Kollektion?

Ich bin total glücklich über die Hemden. Es sind wunderbare, etwas ungewöhnliche Farben. Und der Mantel ist aus einer tollen schweren Wolle. Ich liebe auch den gelben Pullover und die kleinen, geschmeidigen Strickteile. Es war gar nicht so einfach, sie nach meinen Vorstellungen zu produzieren – ich wollte, dass sie einen guten Fall haben und sich seidig und wie Abendkleidung anfühlen. Und da mussten wir ein gutes Gleichgewicht finden, um diesen Look zu kreieren und gleichzeitig zu fragen, wie wäscht man sie? Lassen sie sich gut tragen? Bleiben sie an Ringen und Halsketten hängen? Es war ein wahrer Balanceakt, etwas zu kreieren, das leicht und geschmeidig, aber auch strapazierbar ist. Ich habe noch nie mit jemandem zusammengearbeitet, der darauf achtet, wie sich Dinge waschen und tragen lassen. Das war sehr interessant und auch sehr wichtig für mich. Diese Kollektion soll nicht einfach Mode sein, sondern Bausteine einer modularen Garderobe. Sie müssen langlebig sein. Ich möchte, dass es tolle Hemden und Strickwaren sind, die auch in fünf, zehn, zwanzig Jahren noch gut aussehen.

Ist Nachhaltigkeit in der Mode für Sie zunehmend wichtig?

Ja, auf jeden Fall. Ich habe ein Bewusstsein dafür, nicht viele Dinge anzuschaffen, die ich nur für einen Moment mag. Daran bin ich wirklich nicht interessiert. Das ist nicht die Art und Weise, wie ich mit der Welt umgehen möchte und auch nicht die Art und Weise, wie die Welt möchte, dass ich mit ihr umgehe. Bei allem, was wir als Menschen tun, ist es jetzt wichtig, die Dinge durch ein umweltbewusstes Objektiv zu betrachten.

Haben Sie während des Designprozesses mit Sunspel etwas gelernt, das Sie überrascht hat?

Dass ich die groben Aran Strickteile richtig hinbekommen habe. Ich wollte, dass sie sich wie irische Wolle anfühlen, aber ein bisschen weicher sind. Es hat Spaß gemacht, die richtige Balance zu finden. Aber der Designprozess begann eigentlich damit, dass wir eine Menge Referenzbilder zusammenstellten und herausfanden, was wir machen wollten und warum. Der Prozess verlief sehr angenehm und reibungslos.

Zweireihiger Blazer Zweireihiger Harris Tweed Mantel

Sie sagten, dass dieser Prozess am Ende des Lockdowns begann. Hat diese Erfahrung Ihre Entwürfe beeinflusst oder eher Ihr persönlicher Stil?

Es ist mein persönlicher Stil, aber auch die Idee einer modularen Garderobe… insbesondere am Ende des Lockdowns, als ich meinen Kleiderschrank öffnete und dachte: „Ich weiß gar nicht mehr, wie man sich anzieht. Wie will ich mich präsentieren?“ Ich wollte wirklich etwas kreieren, das sich einfach und zuverlässig anfühlt.

Wie die „Steve Jobs“ Uniform?

Ganz genau. Ich liebe es, wenn Leute eine Art Uniform haben, ich denke dann immer:  wie gut für dich, du hast etwas gefunden, das für dich funktioniert! Meine Mutter ist ein bisschen so. Es ist wirklich beneidenswert; man erfindet sich nicht neu, man ist, wer man ist und wie man sich kleidet.

Wie hat sich Ihr persönlicher Stil im Laufe der Jahre entwickelt?

Ich denke, in den letzten Jahren habe ich die Dinge gefunden, die für mich funktionieren. Ich kehre immer wieder zu einer androgynen Herrenmode zurück, die verlässlich ist und sich immer gut, stilvoll und elegant anfühlt. Und ich lasse mich gern von Ikonen aus der Musik inspirieren. Das ist meine Welt; darauf ist Verlass.